In der letzten Zeit tauchen hier und da Bilder einer Ansammlung von
Schuppen irgendwo im Westjordanland immer wieder in der Weltpresse auf. 173
Beduinen (53 Familien) des Jahalin Stammes sollen ihre Behausungen in Khan
al-Ahmar in der Judäischen Wüste bis zum 1.10.18 räumen.
Ein Beduinencamp mitten in der Wüste wie man es gewohnt ist... |
Man ist verführt den Text gar nicht erst zu lesen. Wieder arme, wehrlose, indigene Ureinwohner die nun von bösen, traumatisierten Kolonialisten, die selber noch vor drei oder vier Generationen wehrlos waren, vertrieben werden sollen. Kolonialisten denen das ihnen schon zugestandene Territorium nicht genug war und sich bei einer sich bietenden Gelegenheit auch noch den benachbarten Teil, der für die Ureinwohner gedacht war, unter den Nagel gerissen haben, eben weil sie so traumatisiert und böse sind. Letztere werden nun systematisch drangsaliert um sie zu vertreiben – zugunsten der territorialen Expansion der Ersteren.
Stoff der geeignet ist das Weltbild gutmenschiger Israelkritiker zu festigen.
Zu Beginn des Monats September hat die EU eine Resolution gegen die Räumung verabschiedet und bei der letzten Sicherheitsratssitzung der UN am 17.9.18 sprachen sich auch die UN Botschafter von Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Polen und Schweden dagegen aus.
Wie soll ich sagen? Ich sehe das anders.
...wenn man sich allerdings etwas nach Süden wendet sieht man eine voll ausgebaute 4-spurige Schnellstrasse... |
Dieser Beitrag soll nicht ein griffiges Gegennarrativ aufstellen das
keine Gegenrede mehr zulässt (das wäre Propaganda), sondern mit Bildern und
Informationen zu einer ernstzunehmenden Diskussion führen. Nicht Mäuler
stopfen, sondern Gehirne füttern.
Gibt man bei Bing „Jahalin“ ein bekommt man etwa 25.000 Treffer.
Es kommt daher daß dieser derzeit 15.000 Seelen zählende Beduinenstamm
nicht alleine in der Welt dasteht. bimkom.org, peacenow.org, btselem.org,
unwra.org, Dikania, Amnesty, Rabbis for human rights, Roman Catholic Society of
St. Yves, The Palestinian human rights group Land and Water Establishment
(LAWE) und nicht zuletzt Jahalin.org, sie alle stehen ihnen zur Seite wie man
bei den Suchergebnissen sehen kann.Im Unabhängigkeitskrieg wurde der Stamm aus dem Negev nach Norden vertrieben und lebte auf beiden Seiten der Jordansenke.
Ich hatte Gelegenheit mich mit einer der Gründermütter von Maale Adumim zu unterhalten. Sie hat mit erzählt daß ebenjene Jahalin Beduinen seinerzeit (1975) nur im Winter ihre Herden in diese Gegend hochtrieben. Einfach weil es hier kaum Wasser gab. Das änderte sich Anfang der 80ger mit dem Bau der Wasserleitung nach Maale und Kfar Adumim.
Der Name Khan al-Ahmar ist eigentlich die Bezeichnung für Überreste eines byzantinischen Einsiedlerklosters der mit seiner riesigen Zisterne später als Khan, als Herberge für Karawanen diente. Heute liegt er mitten im Mishor Adumim Industriegebiet, zweieinhalb Km entfernt von den Schuppen die mit diesem uralten und bedeutenden Namen bedacht wurden. Wie alt ist der heutige Khan al-Ahmar? In der folgenden Quelle kann man eine Reihe von Luftbildern sehen. Ihr zufolge tauchten die ersten Bauten um 1980 auf.
https://www.camera.org/article/the-la-times-the-bedouin-of-khan-al-ahmar-and-their-land/
Den jüdischen Anwohnern der nahegelegenen Siedlung Kfar Adumim zufolge, vergeht kein Monat ohne Steinwürfe. Aber das scheint mir nicht das wesentliche.
... warum seine Zelte mit Kindern, Schafen und Ziegen so nahe an der Strasse aufschlagen? |
Längst sind die traditionellen Zelte kleinen Gruppen von Holz- und
Blechhütten gewichen, was auch darauf hindeutet das ihre Bewohner mittlerweile
sesshaft geworden sind. Man würde erwarten daß sie weiträumig auf den Hügeln
und Abhängen der judäischen Wüste verteilt wären, da Beduinen meist Schaf und
Ziegenherden und auch Kamele halten. Die etwa 30 Camps der Jahalin liegen aber
fast ausnahmslos direkt an einer Schnellstraße. Ende 2014 hat die rechte NGO „Regavim“
einen Bericht vorgelegt demzufolge aus 209 Bauten im Jahre 2003 in 11 Jahren
774 Bauten geworden sind.
Eine Fahrt in Richtung Jordantal und zurück... |
...der Blick nach Süden... |
Die Schnellstraße ist nicht irgendeine Schnellstraße. Jerusalem
liegt in 800 Höhenmetern auf einem Bergrücken. Nach Osten hin fällt das Terrain
bis zum Toten Meer auf minus 400 Höhenmeter ab. Entlang der Jordansenke
verläuft die Grenze nach Jordanien. Diese Straße, die Nr.1, ist die für Israel strategisch
wichtige West – Ost Verbindung in der Mitte des Landes, die von Tel Aviv
kommend über Jerusalem runter zur Jordansenke bis zur Grenze führt.
Und noch eins... |
Der Palästinenserführung ist die Verbindung von Samaria im Norden
und Judäa im Süden wichtig. Hier, östlich von Jerusalem, wo auch der zum
Politdrama avancierte Hügel E1 liegt, treffen sich die beiden
Entwicklungsachsen.
...und noch eins... |
„Regavim“ zufolge, versucht die PA (Palestinian Authority) ein Band
von Beduinencamps entlang der Straße zu schaffen. Da beduinische Männer mehrere
Frauen heiraten können und 30% von ihnen dies auch tun, sind sie Weltmeister
was die Wachstumsrate angeht – sie liegt bei ihnen bei 5,5%. Das bedeutet eine
Verdoppelung jeweils innerhalb von 14 Jahren. Wie man an meinen Bildern sehen
kann ist der Khan wirklich nicht das einzige Beduinencamp entlang der Strasse.
...und noch einer... |
...und noch eins. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. |
Da der Khan al-Ahmar in der Zone C liegt, hat laut Osloer Abkommen
Israel die Planungshoheit. Demzufolge kann die israelische Zivilverwaltung
(COGAT) den Abriss anordnen.
Es geht auch anders. Zwei Beispiele für Camps die mitten in der Landschaft liegen |
Im folgenden Link ein Bild das die bezugsbereiten Parzellen in Abu Dis zeigt.
An dieser Schlacht um die Dominanz der Entwicklungsachsen beteiligen sich seit einigen Jahren auch unerwartete Mitspieler. Die EU und einige ihrer Mitgliedsstaaten.
181 Behausungen und 232 Schuppen wurden von der EU finanziert. Diese Bauten bestehen aus Paneelen die einen Aufbau innerhalb von Stunden erlauben. Da es sich um ungenehmigte Bauten handelt kommt ein EU Aufkleber drauf der ihnen diplomatische Immunität verleihen und so den Abriss verhindern soll.
Wer genau hinschaut kann auf den Bauten die dunkelblauen Aufkleber der EU erkennen. |
Quelle: (.pdf Datei in Englisch hier herunterladen: https://www.regavim.org/eu-involvement-in-illegal-building-in-area-c-position-paper/)
Auf Seite 11 findet sich eine gute weil klar aufgemachte Landkarte.
Ein solches Vorgehen halte ich aus zwei Gründen für falsch. Zum
einen wird die Verhandlungsbereitschaft der Palästinenser herabgesetzt wenn
tatkräftig bei der Schaffung vorhandener Tatsachen geholfen wird. Zum anderen
ist es moralisch fraglich ob man einerseits 11 Mill. Euro in beduinische
Outposts investieren kann, und gleichzeitig lauthals gegen jüdische Outposts
protestieren kann.
Der einen Seite helfen vorhandene Tatsachen zu schaffen ist kein
probates Mittel um beide Seiten zu einer Verhandlungslösung zu bewegen.
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