Dienstag, 4. August 2015

Meine Siedlung


Was ist das für eine Siedlung die unweit von Jerusalem jenseits der Grünen Linie liegt, einen eigenen Siedlungsblock darstellt und mit ihren über 40.000 Einwohnern in sämtlichen EU Jahresberichten erwähnt wird?
Sie liegt im Westjordanland in der Zone C, die dem Osloer Abkommen entsprechend unter Israelischer Verwaltung steht. An dem einen Ende ist sie 7 Km und an dem anderen Ende 11 Km von der Grünen Linie entfernt.

Eines der Mosaiken beim Barmherzigen Samariter
Das Siedlungsgebiet, einschließlich Industriegebiet umfasst großzügige 50 QKm (48.000 Dunam). In dieser Fläche sind ebenso Truppenübungsplätze wie die Überreste zweier byzantinischer Einsiedlerklöster und eine Zollstation aus ottomanischer Zeit enthalten. Letztere ist als Barmherziger Samariter besser bekannt. Heute findet man dort ein Museum mit Mosaiken aus römischer und byzantinischer Zeit und kann auch eine Wohnhöhle besichtigen die seit der frühen Eisenzeit genutzt wurde.

Die Überreste des Martyriusklosters in Maale Adumim

Das Klima ist im Winter nicht so kalt wie in Jerusalem weil man durch den Bergrücken auf dem Jerusalem liegt von den Niederschlagsreichen Westwinden vom Mittelmeer geschützt ist. Dafür liegt aber die jährliche Niederschlagsmenge zwischen 160 und 400 mm. Tagsüber ist es heiß und angenehm trocken und nachts kann es kühl werden.

Die Überreste des Hortymiusklosters in Mishor Adumim


Der Name kommt aus dem Alten Testament, dem Buch des Josua, Kap.15, Verse 6 – 18 (15:7,18:17). Dort wird diese Gegend als Grenze zwischen den Territorien der jüdischen Stämme Benjamin und Judah erwähnt. Der Name bedeutet Rotsteig und bezieht sich auf die Felsen die den alten Handelsweg von der Jordansenke rauf nach Jerusalem säumten, denn im Sandstein fand sich eine rote Maserung.
Nein, keine Kathedrale sondern die riesige Zisterne des Hortymiusklosters


Entstehungsgeschichte

Bis 1965          König Hussein von Jordanien lässt eine Verbindungsstraße von Amman nach Jerusalem bauen. Seine Familie bekam von den Briten das Hausrecht auf dem Tempelberg und außerdem lässt er auf dem Bergkamm, etwas weiter nördlich eine Supermoderne Villa für die Sommermonate erbauen. Sie bleibt unvollendet – der Rohbau kann heute in der Nähe des jüdischen Stadtteils Pisgat Zeev besichtigt werden. Die arabischen Dörfer um Ostjerusalem haben weder Strom noch fließend Wasser. Nur einmal im Jahr, am jüdischen Busstag dürfen einige Juden an der Klagemauer beten. Alle anderen können von einem Aussichtspunkt im jüdischen Stadtteil Talpiot aus auf den Tempelberg schauen.
1967    Israel hofft daß der jordanische König sich nicht am Krieg beteiligen wird. Er tut es aber doch. Innerhalb von zwei Stunden stehen jordanische Truppen in Jerusalem. Trotzdem kommt das Westjordanland in israelische Hand und damit auch Nord- Ost und Südjerusalem. Nach 19 Jahren ist die Stadt nun endlich wieder geeint ist soll sie nie mehr geteilt werden. Der Zugang zur Klagemauer der vorher hinter ärmlichen Schuppen verborgen war wird freigeräumt und das zerstörte jüdische Viertel in der Altstadt modern wiederaufgebaut.
1973    Yom Kippur Krieg; Israel ist trotz Vorwarnungen unvorbereitet und verliert diesen Krieg fast. Vielen Israelis wird klar daß man trotz des erfolgreichen 6-tage Krieges nicht unbesiegbar ist.
1974    Es gibt verschiedene Initiativen das Westjordanland zu besiedeln um die Sicherheitslage zu verbessern. Allen voran eine "Die Grüne Linie auslöschen" Aktion der nationalreligiösen Gush Emmunim Bewegung. In Jerusalem bildet sich ein Garin = Kern, eine Initiative die im Gebiet östlich von Jerusalem, an der Strasse runter zur strategisch wichtigen Jordansenke eine Siedlung gründen möchte um Jerusalem nach Osten hin zu schützen. Der Garin besteht aus einem breiten Spektrum von Aktivisten: Gush Emmunim, Angehörige der Likud Jugendorganisation und auch einige von der linken Mapai die aus einer Initiative zur Stadtteilerneuerung kommen. Dort wo die Aktivisten vom Militär aufgehalten werden beschließen sie auf dem naheliegenden Hügel die Siedlung zu gründen.
Die regierende Mapai Linksregierung beschließt dort ein Industriegebiet zu errichten und willigt ein daß Behausungen für die dort Arbeitenden errichtet werden. Das Gebiet ist zu der Zeit völlig unbesiedelt da es kein Wasser gibt.
1975    Der Garin errichtet im Frühjahr das erste Haus, es ist eine sogenannte Ashkubit, ein Gebäude aus Betonfertigteilen. Die Wasserleitung kommt vom Jerusalem (vom French Hill). Nach langen Diskussionen in der Regierung wird die Behausung durch das Militär geräumt.
Zum Unabhängigkeitstag wird das geräumte Haus in eine Synagoge umfunktioniert die rund um die Uhr bemannt ist. Hier finden Gebete und Familienfeiern statt und ihre Wochenenden verbringen die Familien hier.
Im Herbst kommen 23 Familien und 6 Unverheiratete in die auf einem 250 m ü.d.M. liegenden Hügel gelegene Siedlung um es zu ihrem ständigen Wohnort zu machen. Einer der Junggesellen, Uri Ariel, wird 38 Jahre später Wohnungsbauminister werden.
Während die Jahalin Beduinen vorher nur im Sommer von Jericho heraufkamen um ihre Schaf- und Ziegenherden hier zu weiden beginnen sie sich nun in der Gegend niederzulassen denn nun gibt es hier Wasser aus der Leitung. Das Verhältnis zu ihnen ist gut. Die 50 Kamele eines Scheichs sind eine Attraktion für die Kinder der Siedler.
1977    Die Wende kommt mit der erstmaligen Wahl einer Likudregierung unter Premierminister Begin. Die Regierung beschließt östlich von Jerusalem, an der strategisch wichtigen Straße runter zur Jordansenke eine Siedlung zu errichten, auch um Jerusalem nach Osten zu sichern.
1979    Die Siedlung neben dem Industriegebiet ist mittlerweile auf 50 Familien herangewachsen und auch eine Yeshiva, ein theologisches Seminar, finden sich auf dem Hügel. Als erste Siedlung in der Zone C erhält Maale Adumim den Status einer Gemeinde.
Im selben Jahr findet auch die Grundsteinlegung für die auf dem Reißbrett von einem Herrn Leitersdorf geplante, etwas weiter westlich, in Richtung Jerusalem liegende Siedlung, die, wie die Finger einer Hand, auf den Hügeln oberhalb der Straße nach Jericho liegen soll. Weil 200 Höhenmeter höher ist diese Lage, neben den Ausläufern Ostjerusalems, klimatisch günstiger.
Das 2014 mit Spenden aus den USA erbaute Konsevatorium, dahinter der Veranstaltungssaal mit 570 Plätzen der demnächst fertiggestellt wird. Im Hintergrund die 2005 eröffnete Bücherei mit 85.000 Titeln.
Links das im Jahr 2000 fertiggestellte Rathaus
1982    Die ersten Bewohner beziehen die fertiggestellten Wohnungen in der Siedlung. Erste Läden Kindergärten und Schulen werden eröffnet. Der Garin spaltet sich auf, da einige der Aktivisten nicht in einer Stadt, sondern in einer kleineren Siedlung leben möchten.
 1995    Die Siedlung hat nun über 20.000 Einwohner. Im Industriegebiet sind 90 Betriebe ansässig.

2010    Die Siedlung erreicht die 37.000 Einwohner Marke mit 8500 WE auf 6 Siedlungsteile verteilt.

 Seit 2011 wurden keine Grundstücke mehr in Maale verpachtet. Das kostet die Siedlungsverwaltung 10 Mill. IS im Jahr, wobei die Steuern nur 40% der Aufwendungen decken. Heute werden pro Jahr keine 100 WE in der Siedlung gebaut, dabei besteht ein Bedarf an Wohnungen für hier aufgewachsene die eine eigene Familie gründen.
Die Skyline von Maale Adumim. Links die Bücherei, dahinter der "alte" Siedlungskern, rechts davon das im Jahr 1999 eröffnete Einkaufszentrum, rechts daneben das Rathaus. Im Vordergrund das Gymnasium meiner Tochter mit Solarkollektoren auf dem Dach.

 

Demografische Eckdaten

In den Medien bekommen wir immer dasselbe Bild von etwas seltsam gekleideten, mit der Bibel fuchtelnden, Siedlern serviert. Mal hört man den Begriff Nationalreligiös, mal Ultraorthodox. Meist sind es amerikanische oder russische Juden die hier "natürlich" nichts zu suchen haben.
658.000 Israelis leben jenseits der Grünen Linie. Kann es wirklich sein daß die alle "aus einem Guss" sind?
Maale hat einen Anteil von 18% Nationalreligiösen und lediglich 1% Orthodoxe. Die meisten, nämlich 50% sind Traditionell Konservative. 31% sind Säkular.
Was sind Traditionell Konservative? Es sind Juden die den Samstag und die übrigen jüdischen Feiertage einhalten, an diesen Tagen in die Synagoge gehen, ohne dabei sämtliche 613 Gebote einzuhalten. Äußerlich sind sie von den Säkularen nicht zu unterscheiden denn diese beiden Bezeichnungen beschreiben eigentlich die Bandbreite der Juden die nicht zu den beiden vorgenannten Gruppierungen gehören.
Nur 2% der Bewohner sind in Nordamerika geboren und nur 11% in Osteuropa. Aus Südamerika kommt ein halbes Prozent, Westeuropa 1%, Asien 1%, Afrika 2%. Und die restlichen 82%? Die sind erstaunlicherweise alle in Israel geboren worden.
Wie wählen die "Maalatis"? In den letzten 5 Parlamentswahlen hat die Wahlbeteiligung zwischen 65 und 81% gelegen wobei der Durchschnitt um die 71% liegt.
Und welche Parteien werden gewählt? Die israelische Parteienlandschaft ist sehr dynamisch, Parteien kommen und gehen, schliessen sich zusammen und trennen sich wieder, daher ist es sinnvoller nach Richtungen aufzuteilen.
Hätten die ausländischen Medien mit ihren Schauergeschichten recht so müßten die Nationalreligiösen um die 105 % liegen. Bei den letzten Wahlen lagen sie bei knapp über 25%, davor schwankten sie zwischen 7 und 21%. Am besten fährt der konservative Likud, der normalerweise bei 30 - 40% liegt. In den beiden vorletzten Wahlen, als die Liebermanpartei separat ohne den Likud lief lag sie beidemale über 15%. Auch die Zentrumsparteien können sich nicht beklagen. Obwohl sie ständig wechseln kommen sie immer auf Ergebnisse die über 10% liegen. Shas, die Partei der religiösen Sefaradim liegt immer zwischen 7 und 10%. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei schafft die 5% Hürde kaum oder garnicht.

Bildung

In Israel stehen Kindern und Jugendlichen drei Bildungswege offen. Zum einen der Orthodoxe, der nach einer Art Grundausbildung zur Yeschiva, dem theologischen Seminar führt. Der Lehrplan ist sehr traditionell mit Schwerpunkt auf Erlernen der Bräuche. Englisch und Naturwissenschaften werden garnicht oder kaum gelehrt. Es gibt auch die säkulare Alternative mit den bekannten Lehrinhalten. Die dritte Alternative liegt dazwischen. Es ist die Nationalreligiös geprägte die die bekannten Lehrinhalte mit den religiösen verbindet. Die beiden letzteren Bildungswege führen zum Abitur.
50% des Siedlungsbudgets gehen in die Erziehung. Es gibt hier ein komplettes Bildungsangebot bis hin zum Abitur. Die Siedlung hat 7 säkulare Grundschulen mit 2650 Schülern, 5 Nationalreligiöse mit 1565 Schülern. 5 säkulare weiterführende Schulen mit 2500 Schülern und 4 nationalreligiöse weiterführende Schulen für 1350 Schüler. Insgesamt 78 Kindergärten mit 2000 Plätzen und 21 Schulen.

Die Schul- und Sportstättenachse der Siedlung
Maale Adumim liegt mit 89.2% an siebter Stelle was den Anteil der Jugendlichen angeht die den Wehrdienst antreten. Von den höher platzierten Städten liegt keine einzige jenseits der Grünen Linie.
Quelle: http://news.walla.co.il/item/2692876
9% der Erwachsenen haben bis zu 12 Schuljahre, 70% haben 12 Schuljahre und Abitur, 18% haben einen Abschluss der mit einem Vordiplom vergleichbar ist und 3% haben ein Diplom oder einen höheren Abschluss.
Wo arbeiten die "Maalatis"? 81% arbeiten in Jerusalem, 13% in Maale Adummim, und 6% woanders.

Mishor Adummim

So heißt das 15 QKm große Industriegebiet mit dessen Projektierung eigentlich alles anfing. Es ist eines der ersten bei dem die Verantwortung vom Industrieministerium der Siedlungsverwaltung übertragen wurde, das war 1998. Von den 15 QKm sind 11 QKm im Besitz von Gewerbebetrieben, 2,5 QKm stehen zur Vermarktung bereit und 2 QKm als Reserve für zukünftige Vermarktung. Damit hat dieses Industriegebiet die größten Gebietsreserven im Großraum Jerusalem.

Gesamtansicht auf Mishor Adumim
Rund 300 Gewerbebetriebe sind bereits hier ansässig, darunter Handel, Autowerkstätten, Nahrungsmittelbranche, Textilverarbeitung, Baustoffhandel, Aluminium- und Metallverarbeitung und Druckereien. Flächen können auch angemietet werden.
Der gesamte Industriepark gilt als Vorzugsförderungsgebiet, was bedeutet daß es günstige Anleihen und Steuererleichterungen für Investoren gibt. Die Gemeindesteuer liegt um fast 50% unter der für Gewerbebetriebe in der Heiligen Stadt nebenan.
2000 Palästinenser finden hier eine Beschäftigung. Die Siedlungsverwaltung beschäftigt desweiteren 70 Jahalin Beduinen in den Sektoren Gartenbau und Strassenreinigung.
Die Firma "Soda Stream" zog aus politischen Gründen in den Negev um, der auch als staatlich subventionierter Standort gilt. 500 Palästinenser, 450 arabische und 350 jüdische Israelis mußten sich daher einen neuen Arbeitsplatz suchen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen